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Neue Geographien des Vertrauens/Misstrauens – Die westdeutsche Volksz hlungsboykottbewegungen der 1980er-JahreAbstract: Die Auseinandersetzung über die Volksz hlung in der Bundesrepublik in den Jahren 1983 und 1987 stellen eine einsichtsreiche Gelegenheit dar, wichtige Aspekte einer kritischen Anatomie moderner territorialer Herrschaft zu verdeutlichen. Im Sinne der Ideen Michel Foucaults (Foucault 1976, 1999, 2004a, 2004b), geht es dabei nicht in erster Linie darum, territoriale Herrschaft als ein Ph nomen militarisch-gesicherter Grenzen zu verstehen, die ein territoriales Feld staatlichen Gewaltmonopols einschlie en. Diese hoheitliche Dimension von Macht ist freilich nicht ohne Belang, aber sie hat relativ wenig damit zu tun, wie die allt gliche soziale Ordnung gefestigt und reproduziert wird. Territoriale Herrschaft im allt glichen Sinn ist eher eine Frage von oft unauff lligen Techniken r umlicher Abstraktion und Segregation, von Fixierungen einzelner Aktivit ten in dafür bestimmten r umlichen Abschnitten, von Mobilit tsmanagement, von der Verwaltung von Infrastrukturen, usw. usf. Solche Techniken beruhen auf verschiedenen Formen von Wissen (Hannah, 2000). Diese Techniken sind aber nicht nur Angelegenheiten der Macht, sie stellen auch Bedingungen des allt glichen Lebens dar. Die Tatsache, dass eine Ma nahme wie die Volksz hlung im Prinzip von Vorteil für die gez hlte Bev lkerung ist, hei t gerade nicht, dass sie nichts mit Macht zu tun hat. Das Ziel einer Volksbefragung, deren kategorielle Gestaltung sowie deren organisatorische Durchführung, sogar die ausgew hlten statistischen Auswertungsmethoden, k nnen umstrittene Gegenst nde politischer Auseinandersetzungen werden. Solche Fragen sind 1983 und 1987 von vielen Deutschen (nicht nur von Berufsaktivistinnen ) gestellt worden. Zwischen Dezember 1982 und M rz 1983 entstand eine Graswurzelbewegung gegen die für April 1983 geplante Volksz hlung, schon Ende M rz bundesweit um die 500 lokale Initiativen z hlte. Meinungsumfrage zu dieser Zeit ergaben, dass ungef hr ein Viertel der westdeutsche Bev lkerung keine vollst ndigen Antworten abgeben wollten. Mitte April 1983, knapp zwei Wochen vor dem Stichtag, setzte das Bundesverfassungsgericht die Volksz hlung einstweilig aus, um sich die notwendige Zeit für eine gründliche überprüfung der Verfassungsm igkeit der Volksz hlung zu verschaffen. Im Dezember 1983 erkl rte das Gericht Teile des Volksz hlungsgesetzes von 1983 für verfassungswidrig, und die Regierung musste ein neues Gesetz ausarbeiten, das den Prinzipien des Datenschutzes besser entsprach. Ende 1985 war ein neuer Entwurf fertig, und nach einigem politischem Hin und Her wurde der 25. Mai 1987 als neuer Stichta
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